In der Presse werden HeilpraktikerInnen immer wieder als Scharlatane dargestellt. Es wird ihnen generell Patientenwohlgefährdung vorgeworfen oder signifikannte Häufung von Falschbehandlungen ohne und mit Todesfolge zur Last gelegt.
Wie groß ist das Risiko, durch eine HeilpraktikerInnenbehandlung Schaden zu nehmen aber tatsächlich?
Die Schadensfallstatistik einer großen deutschen Versicherung und eine bundesweite Multicenterstudie zur Begutachtung behaupteter letaler und nicht-letaler Behandlungsfehler belegen, dass Behandlungsfehler durch HeilpraktikerInnen vergleichsweise äußerst selten vorkommen.
Bei der Versicherung „Die Continentale“ sind von insgesamt rund 47.000 bundesweit tätigen HeilpraktikerInnen derzeit rund 24.000 mit einer Berufshaftpflichtversicherung versichert. Der Landesdirektor bei „Die Continentale“ Robert Zellerer äußerte sich in einem Interview zu den aus seiner Sicht ungerechtfertigten Anschuldigungen gegen HeilpraktikerInnen.
Zellerer antwortete auf die Frage „Wie schätzen Sie die Gefahrenlage in den Heilpraktikerpraxen ein: Kommt es häufig zu Schadensfällen?“
„Die Gefahrenlage ist definitiv sehr gering! Die Anzahl der Schadensfälle ist dermaßen minimal, dass ‚Die Continentale‘ nicht einmal einen eigenen Punkt in der Schadenstatistik für Heilpraktiker-Risiken vorsieht. Bei anderen Versicherern sieht es ähnlich aus. […]
Ich bin nun seit 35 Jahren in dieser Branche aktiv. In dieser Zeit hat sich der jährliche Beitrag für Berufshaftpflicht-Versicherungen von Heilpraktikern beim Unternehmensverbund Continentale nahezu halbiert: von 300,- DM netto (1985) auf 90,- Euro netto (2020). Dagegen hat sich die Versicherungssumme für Personen- und Sachschäden nahezu versechsfacht: von 1.000.000,- DM auf 3.000.000.- Euro.
Und dass eine Versicherung den Beitrag nicht senkt bzw. die Versicherungssumme erhöht, wenn tatsächlich viele Schadensfälle vorliegen würden, dürfte wohl jedem einleuchten. […]
Und dass man bei 35 Jahren durchaus von einem repräsentativen Zeitraum sprechen kann, steht wohl außer Zweifel: Zahlen lügen nicht! “ […]
„Wenn es dann doch mal zur Meldung eines vermeintlichen Schadens kommt, beruht dieser meist eher auf einer falschen Erwartungslage einzelner Patienten, die austherapiert zum Heilpraktiker gehen und dann oft Wunder erwarten. […] …..man sollte sich eher fragen, warum die Beiträge für Ärzte immer schneller steigen…“
Zellerer wurde gefragt: „Wie genau sieht es denn bei den Ärzten aus?“
„Bei den vergleichbaren Beiträgen zur Berufshaftpflicht-Versicherung für Ärzte haben wir gegenüber den Heilpraktikern im Marktvergleich oft einen fünfmal höheren Beitrag. So kostet die Berufshaftpflicht-Versicherung eines Heilpraktikers beim Unternehmensverbund Continentale derzeit 90,00 Euro netto jährlich bei einer Versicherungssumme von 3 Millionen Euro für Personen- und Sachschäden. Ein Allgemeinarzt zahlt dagegen 866,00 Euro netto bei der gleichen Versicherungssumme.
Aussagen wie: ‚Heilpraktiker richten viele und hohe Schäden an‘ verunsichern deshalb nur und sind einfach nicht haltbar.“ […]
Die vollständige Pressemitteilung der Continentale-Versicherung vom 19.11.2020 kann hier nachgelesen werden: „Keine Gefahr durch Heilpraktiker: Zahlen lügen nicht!“
Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) erstellte das Institut für Rechtsmedizin der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Mai 2005 eine Multicenterstudie zur Begutachtung behaupteter letaler und nicht-letaler Behandlungsfehler.
Die Studie untersuchte die „Verteilung der Behandlungsfehlervorwürfe (n=4450) auf verschiedene Arztgruppen bzw. Berufsgruppen sowie der prozentuale Anteil an der Gesamtzahl der Behandlungsfehlervorwürfe“ (Seite 35).
Auszug aus der Statistik:
Krankenhausärzte – Fallzahl: 2809 – Prozentualer Anteil an der Gesamtfallzahl: 63,1%
Niedergelassene Ärzte – Fallzahl: 877 – Prozentualer Anteil an der Gesamtfallzahl: 19,7%
Heilpraktiker – Fallzahl: 12 – Prozentualer Anteil an der Gesamtfallzahl: 0,3%
Die Studie zeigt auch die Anzahl der durch Obduktion bestätigten letalen Behandlungsfehler (Seite 62).
Auszug aus der Statistik: „Berufsgruppen und die Anzahl der bejahten Behandlungsfehler mit bejahter Kausalität für den Tod“
Krankenhausärzte – Zahl bejahter letaler Behandlungsfehler: 98
Niedergelassene Ärzte – Zahl bejahter letaler Behandlungsfehler: 46
Heilpraktiker – Zahl bejahter letaler Behandlungsfehler: 1
Die Studie nahm auch eine Differenzierung der Behandlungsfehlerarten vor.
Auszug aus der Statistik: „Vorwurf des Unterlassens medizinisch gebotener Maßnahmen“ (Seite 73)
Krankenhausärzte – Fallzahl: 1133
Niedergelassene Ärzte – Fallzahl: 575
Heilpraktiker – Fallzahl: 4
Auszug aus der Statistik: „Vorwurf des Unterlassens erforderlicher diagnostischer Maßnahmen“ (Seite 75)
Krankenhausärzte – Fallzahl: 621
Niedergelassene Ärzte – Fallzahl: 417
Heilpraktiker – Fallzahl: 1
Auszug aus der Statistik: „Vorwurf des sonstigen Unterlassens“, z.B. ungenügende Behandlung, mangelnde Sorgfalt, mangelhafte Aufklärung, u.a. (Seite 78)
Krankenhausärzte – Fallzahl: 512
Niedergelassene Ärzte – Fallzahl: 277
Heilpraktiker – Fallzahl: 3
Die Ergebnisse der Multicenterstudie bestätigen die Statistik der Berufshaftpflichtversicherer.
Die Studie zeigt die sehr geringe Anzahl von Schadensfällen durch HeilpraktikerInnen.
Nur 0,3% der Behandlungsfehlervorwürfe richten sich gegen HeilpraktikerInnen. Nur bei einem Todesfall konnte ein kausaler Zusammenhang mit einem Behandlungsfehler durch HeilpraktikerInnen festgestellt werden. Die Anzahl der Vorwürfe des Unterlassens gegen HeilpraktikerInnen liegt im unteren einstelligen Bereich.
Obwohl das Bundesministerium für Gesundheit selbst Auftraggeber der Multicenterstudie war und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die äußerst geringen Fallzahlen bei Behandlungsfehlern von HeilpraktikerInnen daher bekannt sein dürften, verfolgt Herr Spahn die Abschaffung Heilpraktikerberufs. Zu diesem Zweck hatte Herr Spahn ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben mit dem Ziel, juristische Möglichkeiten zu finden, das Heillpraktikergesetz (HeilprG) komplett abzuschaffen, bzw. wenn das rechtlich nicht möglich sein sollte, die Behandlungsmöglichkeiten von HeilpraktikerInnen größtmöglichst einzuschränken. Das Rechtsgutachten liegt dem Bundesministerium inzwischen vor und wird ausgewertet.
Heilpraktische Behandlungen werden in den Medien, auch von der eigentlich seriösen Presse wie den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, als Kurpfuscherei mit Gefahr für Leib und Leben dargestellt.
Gleichzeitig zeigen das mehr als drei Jahrzehnte umspannende Erfahrungswissen großer deutscher Berufshaftpflichtversicherer und die bundesweite wissenschaftliche Studie, dass Behandlungsfehler nur sehr selten von HeilpraktikerInnen begangen werden. Die Diskrepanz könnte kaum größer sein.
Eine Reform des HeilprG wird von Berufs- und Fachverbänden seit langem angestrebt. Die Verbände haben Konzepte für die Heilpraktikerausbildung erarbeitet, die vielfach in der Praxis bereits umgesetzt oder von Ausbildungsinstituten freiwillig erweitert wurden, sowie Anforderungen an die Grundausbildung in einem Behandlungsverfahren (z.B. Mindestanforderungen bzgl. der inhaltlichen und die umfänglichen Gestaltung) und Anforderungen in Bezug auf regelmäßige Weiterqualifizierung.
Wenngleich das Heilpraktikergesetz (HeilprG) in der jetzigen Fassung keine Ausbildung in einem Behandlungsverfahren als Voraussetzung zur Erlangung der Heilerlaubnis vorsieht, zeigt doch die Praxis, dass HeilpraktikerInnen (allgemein und sektoral) ihrer beruflichen Verantwortung dadurch nachkommen, dass sie freiwillig in einem oftmals sehr goßen Umfang fachspezische Aus-, Fort- und Weiterbildungen absolvieren und diese vollständig privat bezahlen.
Das European Certificate of Psychotherapy (ECP) fordert beispielsweise mindestens 3.200 Ausbildungsstunden, davon mindestens 1.400 Ausbildungsstunden in einem anerkerkannten Psychotherapieverfahren.
Für HeilpraktikerInnen für Psychotherapie, die diesen höchsten europäischen Standard für psychotherapeutisch Tätige in Europa erfüllen, fordern Berufs- und Fachverbände seit langem die rechtliche Gleichstellung mit ärztlichen und psychologischen PsychotherapeutInnen.
(vergl. Heilpraktikergesetz in Gefahr)
Die komplette Abschaffung des Heilpraktikergesetzes, aber auch drastische Beschränkungen der Behandlungsmöglichkeiten von HeilpraktikerInnen, hätten weitreichende Folgen in Bezug auf Methodenvielfalt und Wahlfreiheit von PatientInnen. Etliche hundertausend PatientInnen gehen für die Behandlung ihrer körperlichen Leiden zu einer allgemeinen HeilpraktikerIn und/oder lassen sich bei seelischen Störungen von einer HeilpraktikerIn für Psychotherapie behandeln.
Auf Termine bei FachärztInnen oder auf einen freien Psychotherapieplatz bei approbierten PsychotherapeutInnen müssen PatientInnen üblicherweise Wochen oder Monate warten.
Würde der Heilpraktikerberuf abgeschafft werden, fielen hunderttausende Therapieplätze weg. Die Wahl des Psychotherapieverfahrens würde auf drei Verfahren reduziert. Nachweislich wirkungsvolle Methoden stünden für die psychotherapeutische Behandlung nicht mehr zur Verfügung. Entsprechendes gilt für die Behandlung körperlicher Erkrankungen durch allgemeine HeilpraktikerInnen.
Psychotherapeutische Berufs- und Fachverbände haben sich zusammengeschlossen und sich in einer Protestnote gegen die geplante Abschaffung des Heilpraktikerberufs ausgesprochen. (Link s.u.)
Aus Sicht von Berufs- und Fachverbänden sollte das Heilpraktikergesetz um die von sehr vielen HeilpraktikerInnen freiwillig erbrachten Qualifizierungsmaßnahmen in einem verbindlichen Standard nach dem Modell des Europäischen Zertifikats für Psychotherapie ergänzt werden, anstatt einen etablierten Berufsstand vor dem Hintergrund nicht haltbarer Vorwürfe abzuschaffen.
Eine Petition setzt sich ein für Therapiefreiheit, Selbstbestimmungsrecht als Patient und für eine eine freie Berufsausübung des Heilpraktikers.
Hier geht’s zur Petition: Erhaltung des Heilpraktiker Berufes
zum Weiterlesen:
„Rechtsgutachten zum Heilpraktikerrecht“, Ausschreibung, Leistungsbeschreibung
Gemeinsame Protestnote hinsichtlich des vom Bundesgesundheitsministeriums in Auftrag gegebenen Rechsgutachtens zum Heilpraktikerrecht, Deutscher Dachverband für Psychotherapie e.V. (Februar 2020)
Heilpraktikergesetz in Gefahr (07.06.2020)
„Keine Gefahr durch Heilpraktiker: Zahlen lügen nicht!“, Pressemitteilung der Continentale Versicherung (19.11.2020)
Juristisches Rechtsgutachten zum Heilpraktikerrecht, Dr. René Sasse (September 2020)