Das Opferentschädigungsgesetz

Das Opferentschädigungsgesetz (OEG) hat zum Ziel, Opfern von Straftaten Hilfen zu ermöglichen, die „die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen solcher Taten“ ausgleichen.
Zu den umfangreichen Hilfeleistungen gehören auch Psychotherapien, die von gesetzlichen Krankenkassen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang bezahlt werden, dazu zählen z.B. auch Traumatherapien durch HeilpraktikerInnen für Psychotherapie, sowie Hilfsmittel, Rentenzahlungen, u.a.
Allerdings sind die Hürden bis zur Anerkennung eines OEG-Antrags in den meistens Fällen für komplex traumatisierte Menschen unüberwindbar.

Oftmals ist Opfern von Straftaten gar nicht bekannt, dass sie ein Anrecht auf Entschädigung haben und finanzielle Unterstützung für notwendige Therapien beantragen können. Bei einer repräsentativen Umfrage gaben 76 Prozent der Befragten an, noch nie davon gehört zu haben.
Stellen Betroffene einen OEG-Antrag, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie eine Ablehnung erhalten. Die Ablehnungsquoten liegen bundesweit bei 40 bis 50 Prozent.

Immer wieder ist zu hören, dass ein Antrag auf Opferentschädigung nur gestellt werden kann, wenn das Opfer eine Anzeige gegen den/die TäterInnen gestellt hat und eine Gerichtsverhandlung zu einer rechtkräftigen Verurteilung geführt hat.
Das OEG-Verfahren ist ein eigenes, vom Strafprozess unabhängiges Verfahren. Die Aussage, Anzeigestellung gegen die TäterInnen und deren Verurteilung sei Voraussetzung für eine Anerkennung, ist also unrichtig.

Tatsächlich ist es aber so, dass ein Anspruch auf Entschädigung nach OEG nur anerkannt wird, wenn die Gewalttat, die gesundheitliche Schädigung und der Zusammenhang zwischen Tat und Schädigung nachweisbar ist.
Für Betroffene von (früh-)kindlichen Traumatisierungen durch körperliche und/oder sexualisierte Gewalt ist der Nachweis eines kausalen Zusammenhangs zwischen der Straftat und der Traumafolgestörung aber praktisch unmöglich.
Es fehlen ZeugInnen, weil die Straftaten hinter verschlossenen Türen stattfanden. Gibt es ZeugInnen, sind diese oftmals nicht zu einer Aussage bereit, z.B. aufgrund von familiären oder wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnissen gegenüber dem/n TäterInnen.
Peritraumatische Dissoziation als bio-psycho-soziale Überlebensstrategie verhindert die bewusste Wahrnehmung von überwältigenden traumatischen Erlebensqualitäten (Gefühle, Sensorik, Motorik, Kognition) bzw. Teilen davon während der traumatisierenden Situation(en).
Dissoziation (Unterbrechung der normalerweise integrativen Funktionen des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Identität oder der Wahrnehmung) besteht insbesondere bei komplexen Traumatisierungen auch nach dem Ende der traumatischen Situationen weiter fort und unterbricht den bewussten Zugang zu den mit der/den Tat(en) zusammenhängenden Erinnerungen.
Bei traumabezogenen dissoziativen Störungen ist es Betroffenen daher oft nur bruchstückhaft oder gar nicht möglich, Angaben zu Tatzeit(en), Tatort(en) und Tathergang(hergängen) zu machen.

Das Diagnosemanual ICD-10 definiert als Ursache der Posttraumatischen Belastungsstörung belastende Ereignisse oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer von katastrophalem Ausmaß mit außergewöhnlicher Bedrohung als ausschlaggebende Kausalfaktoren, ohne die die Störung nicht entstanden wäre.
Der Nachweis des verursachenden Ereignis (so gesehen also die Straftat) liegt aus traumatherapeutischer (nicht: juristischer) Sicht daher bereits in der Diagnose selbst. Die der Traumafolgestörung vorausgehende(n) Straftat(en) können bzw. müssten als kausale Ursache gewertet werden.
Eine sorgfältig gestellte traumabezogene Diagnose durch erfahrene TraumatherapeutInnen sollte somit eigentlich „Beweis genug“ dafür sein, dass strafbare Gewalttat und traumabezogene Störung in einem kausalen Zusammenhang stehen.

Der OEG-Leistungskatalog beinhaltet außerordentlich hilfreiche Leistungen, die Betroffene wirksam darin unterstützen, traumatisierende Erfahrungen bewältigen und (wieder) ein (hinreichend) gutes Leben führen zu können. Ein gutes Gesetz muss aber auch gut umgesetzt werden können.
Würden Betroffene die OEG-Hilfeleistungen erhalten, die ihnen eigentlich zustehen würden, würde das für sie oftmals den Unterschied zwischen Überleben und Leben bedeuten können.


Umfangreichere Informationen und weiterführende Links (Formular OEG-Antrag, Beratungsstellen, u.a.) finden Sie auf blog-gestalttherapie-luebeck.de in meinem Artikel „OEG | Das Opferentschädigungsgesetz“


 

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